Preisverleihung 2018

Am Donnerstag, den 8. November 2018 fand die feierliche Preisverleihung zum „Architekturpreis der Stadt Chemnitz“ im Theaterclub am Schauspielhaus statt. Baubürgermeister Michael Stötzer überreichte zusammen mit Prof. Martin zur Nedden die Urkunden und Plaketten an Architekten und Bauherren.

Umbau Hauptbahnhof Chemnitz

Bahnhofstraße 1, 09111 Chemnitz

 

Architekt: Grüntuch Ernst Architekten, Berlin

Bauherr: Verkehrsverbund Mittelsachsen GmbH

Foto: Jan Bitter, Fotograf, Berlin

 

Der Umbau des Hauptbahnhofs Chemnitz ist Symbol und Ausdruck einer gelungenen architektonischen Umsetzung des neuen Verkehrskonzeptes der Stadt für den öffentlichen Nahverkehr. Die Neuformulierung der Bahnhofsstruktur stellt eine geeignete und mutige Weiterführung des ehemaligen Bahnhofsgebäudes in die Zukunft dar. Zeichenhaft stellt die neue Überdachung der Gleisanlagen einen großzügigen öffentlichen Raum für die Stadt und die Nutzer zur Verfügung, indem Verkehr, Raum und Architektur zusammengedacht und entwickelt wurden. Intelligent und ressourcenschonend wurde hierbei die konstruktive Struktur des vorhandenen Gebäudes aus den 70er Jahren genutzt, jedoch alle begrenzenden Elemente entfernt, womit eine große Offenheit erzeugt wurde, die dem Gebäude als ‚Stadtbaldachin’ eine neue Bedeutung im Gefüge der Stadt verleiht.

Plateaus mit fester Möblierung laden an warmen Tagen zum Aufenthalt ein. Von hier aus bekommt man den Überblick über das lebhafte Treiben in der Bahnhofshalle. Verspiegelte Metallelemente an der Decke – der Schnittstelle zur Stadt – reflektieren die darunterliegenden Verkehrsflächen als lebhaftes Bild. Die opake Erscheinung der mehrschichtig aufgebauten, schwebenden Fassade aus Kunststoff- und Textilmaterialien im oberen Bereich der Konstruktion ist, abhängig von Belichtung und Sonnenstand, Tag und Nacht unterschiedlich. Wirkt sie am Tag eher zurückhaltend und gleichförmig, bekommt sie nachts aufgrund der wechselnden Beleuchtung eine starke Präsenz im Stadtraum.

Äußere und innere Beleuchtung verleihen dem neu gestalteten öffentlichen Platz eine helle Aufenthaltsqualität und unterstreichen die Bedeutung des Bahnhofs als Verknüpfungspunkt des Stadt- und Regionalverkehrs.

Neubau Firmensitz Intenta GmbH Chemnitz

Ahornstraße 55, 09112 Chemnitz

 

Architekt: architekturkanal, Chemnitz

Bauherr: Intenta GmbH, Chemnitz

Foto: André Grunewald, Breitband Werbeagentur GmbH, Chemnitz

 

Eine scheinbar alltägliche Aufgabe in einem städtebaulich unvollendeten Umfeld: ein Büroneubau auf einer Brache des ehemaligen Fabrikareals der Union Fabrik. Doch das Besondere dieses Gebäudes ist seine stadträumliche Einbindung und die exzellente architektonische Antwort.

Stadträumlich weist das Projekt eine Perspektive für die Weiterentwicklung des leergeräumten Areals auf, dabei wird das einzige erhaltene und auch denkmalgeschützte Bauwerk des Industriestandortes miteinbezogen, ja es bildet nahezu den Auftakt für eine stadträumliche Entwicklung des gesamten Geländes. Nach Einschätzung der Jury war es weitsichtig von den Bauherren, mit dem Neubau zu beginnen. Auf diese Weise ließ sich ein konkreter Bedarf kurzfristig decken, um in einem zweiten Schritt die komplexere Aufgabe, nämlich die Erhaltung und Erneuerung des Baudenkmals, anzugehen, denn der Anschluss zwischen Neubau und Bestand ist schon im Terrassenbauwerk vorgegeben. Mit diesem Vorgehen wurde der Standort stabilisiert und eine bauliche Richtung für das gesamte Umfeld ausgewiesen. In einem größeren städtischen Zusammenhang überzeugt das Projekt ebenfalls. Der Anschluss an die Innenstadt entlang des Kappelbachs wird durch die Aufweitung des Grünzugs qualifiziert. Mit Durchblicken wird das schöne Wohnquartier des Kassbergs mit dem Grünzug verzahnt.

Das neue Bürohaus selbst strahlt das Selbstverständnis eines individuellen Firmensitzes aus und ist alles andere als von der "Stange" so wie viele andere Bürobauten. Geschmeidig verjüngt sich der Baukörper an seinen Gebäudeenden und seine Rundungen wirken elegant. Dabei wird der Innenraum maßvoll und funktionsstark genutzt, jeglicher unnützer Raum wird vermieden. Mit dieser Architektur bietet der Neubau dem Software-Entwicklungsunternehmen Intenta GmbH und seinen Mitarbeitern ein ideales Umfeld für ihre Teamarbeit. Im Innern fallen insbesondere die offenen Büroeinheiten und der ansprechende Mensabereich mit direktem Terrassenzugang in den Grünraum auf. Auch die integrierte Dachterrasse und die Terrassen über dem Sockelbau, dem zukünftige Verbindungsglied zum Bestandsgebäude, verdeutlichen eine vielfältige Innen- und Außenraumbeziehung.

Das bewundernswerte an diesem Projekt liegt also sowohl in der durchgängigen Qualität vom großen Gesamten bis ins Innere, wie auch in der Materialwahl und der Feinheit im Detail. Schon heute ist dieses nicht allzu große Bürogebäude ein wirklicher Gewinn für die Stadt Chemnitz. Darüber hinaus ist es auch ein Grund nach Chemnitz zu kommen, um exemplarisch die gelungene Beziehung von Innenraum und städtischer Präsenz zu verstehen. Es ist wiedermal ein Beispiel, wie Bauherren und Architekten gemeinsam eine herausragende Architektur schaffen können.

Sanierung und Erweiterung eines DDR Typenbaus in Chemnitz Kappel - „Wir legen neue Platten auf“

Irkutsker Straße 187-195, 09119 Chemnitz

 

Architekt: Schettler Architekten, Weimar

Bauherr: Wohnungsbaugenossenschaft Chemnitz West eG

Foto: T. Nabrotzky, Schettler Architekten, Weimar

 

Das sanierte Gebäude befindet sich in der Irkutsker Straße 187–201 und wurde seinerzeit als Teil eines ursprünglich 1.465 Wohnungen umfassenden Komplexes in den 70er Jahren errichtet. Nachdem bereits in den 90er Jahren eine Teilsanierung der gesamten Anlage stattgefunden hatte, wurde ein über 100 m langer Gebäuderiegel in zwei kleinere Kubaturen gegliedert und bis zum April 2018 umfassend saniert. Dabei wurde der Wohnungsbestand verkleinert: Aus ursprünglich 85 Wohnungen entstanden 48. Ausgehend von den Grundrissen des Typs P2 wurden Wohnungen mit zwei und bis zu fünf Wohnräumen abgeleitet. Inzwischen sind diese zum Teil bereits bezogen.

Die Jury des Architekturpreises sieht in dem Vorhaben entscheidende Impulse für Sanierungsprojekte des Typenbaus, bei denen einerseits Wohnraum marktgerecht erhalten und andererseits die Wohnqualität entscheidend angehoben werden kann. Insbesondere beeindruckte das breite Spektrum von Wohnungsgrößen, wodurch unterschiedlichen sozialen Anforderungen durch entsprechend gute Aufenthaltsqualität gerecht geworden ist. Die Reduzierung der Grundflächen schafft darüber hinaus neue Freiräume im Außenbereich.

Vor allem durch die Gestaltung der in das Innere der baulichen Struktur eingegliederten und teilweise über Eck laufenden sehr großen Balkone wurde eine interessante schichtartige Profilierung der nunmehr zwei Gebäude erzielt. Dadurch entstanden ausdrucksstarke Licht–Schatten-Reliefs, die Lebendigkeit mit einer klaren Gliederung verbinden. Eine helle Farbgebung und transparente Balkon-/Fenster-Geländer unterstreichen den einladenden Gesamteindruck. Die leichte Hanglage wurde von den Architekten aufgenommen, um die Gebäude von zwei Fronten her – teilweise behindertengerecht – zugänglich zu machen. Es wurden dadurch einladende Eingangsbereiche mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen. Neu hinzugefügte Aufzugsanlagen ermöglichen eine altersgerechte Nutzung der fünfgeschossigen Wohnanlagen. Trotz der weitgehend kompletten Neugestaltung wurden überkommene Strukturen und Materialen z. B. in den Treppenhäusern belassen. Sie symbolisieren die historische Herkunft und tragen zur Identitätsbildung bei.   

Insgesamt betonte die Jury, dass mit klaren und relativ einfachen Gestaltungsmitteln intelligente Lösungen gefunden wurden. Die Sanierung des DDR-Typenbaus Chemnitz Kappel ist somit eines der wenigen sehr gelungenen Beispiele für die Sanierung und Modernisierung größerer typisierter Wohnanlagen der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.